Hat sich Liverpools 125-Millionen-Euro-Star für den falschen Verein entschieden?
Der Geschäftsführer von Bayer Leverkusen, Fernando Carro, glaubt, dass alles ganz anders hätte laufen können, wenn Xabi Alonso in Madrid mehr Einfluss gehabt hätte.
„Florian wäre definitiv zu Real Madrid gewechselt, wenn Xabi ihn darum gebeten hätte“, sagte Carro gegenüber Sport1. „Aber Xabi hat dort weniger Mitspracherecht als bei uns. In Madrid entscheidet Florentino Pérez über Transfers – nicht Alonso.“
Nachdem die Option Bernabéu vom Tisch war, blieben Wirtz noch drei große Interessenten: Manchester City, der FC Bayern München und der FC Liverpool. Am Ende entschied er sich für Anfield – überzeugt von Arne Slots Plänen für ihn und der Aufbruchstimmung im Klub nach dem 20. Meistertitel im Mai, mit dem man den Ligarekord einstellte.
„Ich wollte einfach Teil dieses Teams sein“, sagte Wirtz auf der offiziellen Website des FC Liverpool, als er sich an seinen ersten Besuch in Melwood erinnerte.
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Slots großer Plan – auf Eis gelegt
Slot überzeugte Wirtz mit der Idee, eine zentrale, kreative Rolle hinter dem Stürmer einzunehmen – die klassische Nummer 10 im Angriff Liverpools. Beim FC Bayern hätte er mit Jamal Musiala konkurrieren müssen; in Merseyside sollte er eine Schlüsselrolle spielen. Doch der Fußball folgt selten dem Drehbuch.
Nach einem Startelfeinsatz in den ersten vier Ligaspielen tat sich Wirtz schwer, sich an das höhere Tempo und die körperliche Intensität der Premier League zu gewöhnen. Als die Ergebnisse ausblieben, sank auch die Geduld. Einige Experten stellten infrage, ob Slots System überhaupt zu ihm passe.
In seinem BBC-Podcast meinte Wayne Rooney, dass die Verpflichtung des Deutschen „das Gleichgewicht“ im Mittelfeld des FC Liverpool gestört habe. „Er ist ein Top-Spieler“, fügte Rooney hinzu, „aber ich sehe nicht, wo er in dieses 4-3-3-System passt.“
Szoboszlai rückt ins Rampenlicht
Ironischerweise ist Dominik Szoboszlai – der Spieler, den Wirtz eigentlich ersetzen sollte – zum Leistungsträger des FC Liverpool geworden. Letzte Saison noch für seine mangelnde Konstanz kritisiert, hat der Ungar bereits mit zwei Toren und vier Assists geantwortet, darunter ein spektakulärer Freistoßtreffer gegen den FC Arsenal.
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Dieser Aufschwung zwang Slot dazu, zu seinem eingespielten Trio Szoboszlai, Ryan Gravenberch und Alexis Mac Allister zurückzukehren. Mit dem kommenden Heimspiel gegen Manchester City steht die Frage im Raum: Gehört Wirtz aktuell überhaupt zur stärksten Elf Liverpools?
Der Transfer nach Manchester, der nie stattfand
Vor seiner Unterschrift in Liverpool stand Wirtz auch fest auf dem Zettel von Pep Guardiola. Mehrere Berichte von Bild und The Athletic deuteten darauf hin, dass Manchester City ihn als idealen Nachfolger von Kevin De Bruyne sah, dessen Vertrag 2025 ausläuft.
Je nach Quelle scheiterte der Deal entweder daran, dass City vor der 125-Millionen-Euro-Forderung Leverkusens zurückschreckte – oder weil Wirtz Klarheit über Guardiolas Zukunft über 2027 hinaus wollte.
Rückblickend könnte sich diese Entscheidung als schmerzhaft erweisen. Rayan Cherki, den City schließlich für ein Drittel dieser Summe verpflichtete, hat trotz einer kurzen Verletzungspause bereits acht Scorerpunkte gesammelt. Liverpool, das Cherki Berichten zufolge als Backup-Kandidaten sah, kann nun nur zusehen, wie der Franzose in der Rolle aufblüht, die auch Wirtz hätte einnehmen können.
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Es geht nicht nur um Tore
Nicht alle haben ihn bereits abgeschrieben. Ex-City- und DFB-Nationalspieler Ilkay Gündogan erklärte gegenüber Bild, dass Kritiker das große Ganze nicht sehen.
„Es ist nicht Flos Schuld, dass er so viel gekostet hat“, sagte er. „Wer seine Qualität nicht erkennt, versteht den Fußball nicht.“
Auch Ex-Liverpool-Spieler Danny Murphy äußerte sich bei GOAL ähnlich und meinte, Wirtz habe eher Pech gehabt als schlecht gespielt. „Er hat viele Chancen kreiert, die einfach nicht verwertet wurden. Wenn ein paar davon reingehen, sieht die Geschichte ganz anders aus.“
Die Zahlen geben ihm recht. In der Champions League hat kein Spieler mehr Chancen kreiert als Wirtz (16), und beim jüngsten Sieg Liverpools gegen Real Madrid glänzte er – mit den meisten Schlüsselpässen und Ballgewinnen im letzten Drittel. Ein Vorgeschmack auf den Spieler, den Liverpool glaubte verpflichtet zu haben.
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Zeit und Vertrauen
Trotzdem: Dass er bei den besten Premier-League-Auftritten Liverpools – gegen Everton und Aston Villa – außen vor blieb, zeigt, dass noch einiges an Arbeit nötig ist. Slot betonte wiederholt, Wirtz brauche Zeit, um sich an die Intensität und körperlichen Anforderungen des englischen Fußballs zu gewöhnen.
Auch seine engsten Vertrauten teilen diese Einschätzung. Sein früherer Trainer in Leverkusen, Xabi Alonso, sagte diese Woche gegenüber Journalisten, es sei „nur eine Frage der Zeit“, bis Wirtz in Anfield aufblühe.
Dimitar Berbatov äußerte sich im Podcast Vibe with Five von Rio Ferdinand noch entschiedener:
„Er wird unglaublich, vertrau mir. Seine Ballannahme, Übersicht und Positionierung sind Weltklasse. Gib ihm einfach Zeit.“
Der Start steht noch aus
Derzeit bleibt Wirtz das 125-Millionen-Euro-Fragezeichen des FC Liverpool – ein hochbegabter Spielmacher, gefangen zwischen Anpassung und Erwartung. Doch sein Einfluss in Europa wächst, und jene, die seinen Aufstieg schon früher verfolgt haben, erkennen das vertraute Leuchten unter der Oberfläche.
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Liverpool-Fans kennen dieses Szenario: ein langsamer Start, dann das Aufblühen. Die Tore und Assists werden kommen – vielleicht nicht morgen, vielleicht nicht gegen City, aber bald. Dann wird Florian Wirtz allen zeigen, warum er der meistumworbene Teenager Europas war.
Quellen: Sport1, BBC, Bild, The Athletic, GOAL, Getty Images, AFP.
