Haaland führt Norwegen an den Rand des WM-Ruhms
Laut den Spielberichten der UEFA führt Erling Haaland die Torschützenliste der europäischen Qualifikation mit 12 Treffern in sechs Spielen an – fünf mehr als sein engster Verfolger Memphis Depay. Norwegens Kampagne für die Fußball-Weltmeisterschaft 2026 – die in den USA, Kanada und Mexiko ausgetragen wird – wurde um seine außergewöhnliche Torquote herum aufgebaut.
Sein jüngster Hattrick beim 5:0-Sieg gegen Israel folgte auf eine Fünf-Tore-Zwei-Vorlagen-Gala beim 11:1 gegen Moldawien. Diese Ergebnisse brachten Norwegen sechs Siege aus sechs Spielen, drei Punkte Vorsprung auf Italien und ein Torverhältnis von +16.
Zwei Partien stehen noch aus – das Heimspiel am Donnerstag gegen Estland und das entscheidende Auswärtsspiel am Sonntag in Mailand gegen Italien. Estland, das fünf seiner sieben Qualifikationsspiele verloren hat, scheint kaum in der Lage, Norwegen aufzuhalten. Wie Kapitän Martin Ødegaard (derzeit verletzt) gegenüber BBC Sport sagte: „Wir können es fast greifen, aber fast reicht nicht.“
Familiäre Rivalität, geteilter Traum
Lesen Sie auch: Premier League 2025/26: Wer dominiert wirklich? Rangliste der Teams nach Führungszeit – von Platz 20 bis 1
Haalands Antrieb geht über Medaillen hinaus. Sein Vater, Alfie Haaland, ein ehemaliger Mittelfeldspieler in der Premier League, vertrat Norwegen bei der Weltmeisterschaft 1994 – ebenfalls in den USA.
„Er hat mich nie zu etwas gedrängt, aber er wusste früh, dass ich im Fußball gut werden wollte“, sagte Haaland dem Time Magazine. „Ich habe schon vor langer Zeit gesagt: ‘Hoffentlich werde ich besser als du.’ Das war schon in jungen Jahren meine Motivation.“
Während Alfies Karriere keine großen Titel brachte, hat Erling bereits neun Trophäen gewonnen, darunter die Champions League, zwei Premier-League-Titel sowie Torjägerkronen in England und Deutschland. Doch ein Traum verbindet Vater und Sohn noch immer: bei einer Weltmeisterschaft aufzulaufen.
Eine Nation erinnert sich
Norwegen qualifizierte sich zuletzt 1998 für eine Weltmeisterschaft, als das Team den amtierenden Weltmeister Brasilien mit 2:1 in Marseille sensationell schlug. Damals schossen Tore von Tore André Flo und Kjetil Rekdal das Land in kollektive Ekstase.
Lesen Sie auch: Foden steht vor einer neuen Herausforderung, da Tuchel versucht, seine Form aus der englischen Nationalmannschaft zu übertragen.
Obwohl Norwegen im Achtelfinale gegen Italien ausschied, bleibt der Sieg gegen Brasilien ein nationales Erinnerungsmoment. In den Cafés von Oslo wurden diese Woche Wiederholungen des Spiels gezeigt, während sich Fans ausmalten, dass sich die Geschichte wiederholen könnte.
„Wenn wir uns für die WM qualifizieren würden, wäre das wie ein Titelgewinn für eine große Nation“, sagte Haaland kürzlich. „Es wäre die größte Party aller Zeiten. Die Szenen in Oslo wären unglaublich.“
Solbakkens zweite Chance
Cheftrainer Ståle Solbakken, selbst Mittelfeldspieler im Kader von 1998, hat das Team durch einen Prozess der Erneuerung und Reflexion geführt. Norwegens 3:0‑Sieg gegen Italien im Juni – bei strömendem Regen – ließ die Fans lange nach Abpfiff weitersingen.
„Die Leute wollten einfach nicht nach Hause gehen“, erinnerte sich Solbakken. „Der Regen schüttete, aber sie waren lange vor dem Spiel und lange danach da.“
Lesen Sie auch: Zidane enthüllt sein Traumteam der Premier League – Legenden auf jeder Position
Dennoch will er die Nostalgie hinter sich lassen. „Wir haben es satt, über 1998 zu reden“, sagte er. „Seit 25 Jahren haben wir kein großes Turnier mehr erreicht. Es wird Zeit.“
Seine persönliche Geschichte verleiht der Kampagne zusätzliche Tiefe. Im Jahr 2000 erlitt Solbakken beim Training mit dem FC Kopenhagen einen Herzstillstand – sein Herz blieb fast sieben Minuten lang stehen. „Er war klinisch tot“, sagte der Vereinsarzt. „Es ist ein Wunder, dass er noch lebt.“
Jetzt, zweieinhalb Jahrzehnte später, führt er Norwegen zurück auf die große Bühne, die er einst selbst betreten hat.
Eine goldene Generation entsteht
Nach seiner Genesung gewann Solbakken acht Meistertitel mit Kopenhagen, bevor er 2020 die norwegische Nationalmannschaft übernahm. Heute betreut er das, was viele als goldene Generation bezeichnen: Haaland, Ødegaard, Alexander Sørloth, Antonio Nusa, Sander Berge und Julian Ryerson.
Lesen Sie auch: Die besten Premier-League-Transfers der Saison 2025/26 – eine vollständige Liste
„Offensiv haben wir jetzt Spieler mit dem gewissen Etwas“, sagte Solbakken auf einer Pressekonferenz. „Wir haben das Gefühl, dass wir jederzeit ein Tor erzielen können.“
Er lobte auch Haalands Führungsqualitäten: „Er ist sehr bodenständig“, sagte er. „Er stellt das Team über sich selbst. Die anderen wissen, dass er unser wichtigster Matchwinner ist – wir müssen ihn nur in die richtigen Räume bringen.“
Analysten sagen, Solbakken habe Norwegens traditionelle Defensivstärke mit Haalands Offensivpower kombiniert und so ein Team geformt, das Gegner nicht nur übersteht, sondern überrennt.
Unerbittlich und gnadenlos
Diese Mentalität zeigte sich beim 11:1 gegen Moldawien. Eine Quelle aus Haalands Umfeld sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er habe vor dem Spiel seine Mitspieler an die Bedeutung der Tordifferenz erinnert – mit der Aufforderung, „immer weiter zu treffen, egal wie der Spielstand ist“.
Lesen Sie auch: Verstappens Traum vom Titel ist noch nicht vorbei
Er reagierte mit fünf Toren und rannte nach jedem Treffer zurück, um das Spiel schnell wieder anzustoßen – er gab das Tempo für den kompromisslosen Ansatz des Teams vor. Gegen Israel verschoss er zunächst zwei Elfmeter, traf dann aber dreimal und zwang zudem ein Eigentor.
Italien hingegen zeigte sich weniger durchschlagskräftig und gewann nur knapp gegen Estland und Israel. Wenn sie auf Moldawien treffen, könnte Norwegen sich bereits rechnerisch qualifiziert haben.
Nur noch ein Schritt bis zur Geschichte
Laut dem norwegischen Statistikamt liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Qualifikation bei 99,9 %, wenn Norwegen Estland schlägt – selbst mit nur einem Tor Unterschied.
Für Haaland wäre es mehr als nur ein sportlicher Erfolg. „Die letzte Weltmeisterschaft war 1998, zwei Jahre vor meiner Geburt“, sagte er. „Mein Ziel ist es, Norwegen zu einer WM und einer EM zu führen. Das ist das Hauptziel meiner Karriere – und jetzt habe ich endlich die Chance dazu.“
In Oslo tragen Kinder wieder Norwegen-Trikots mit Haalands Namen zur Schule. Flaggen hängen von Balkonen. Die Stimmung ist elektrisierend – vorsichtig, aber hoffnungsvoll.
Sollten sie es schaffen, wird Norwegen nicht nur zur WM zurückkehren. Sie würden einen familiären Kreis schließen, den Stolz einer Nation wiederbeleben und bestätigen, dass ihr unaufhaltsamer Stürmer sie von der Erinnerung zur Geschichte geführt hat.
Quellen: Reuters, BBC Sport, AFP, UEFA, Time Magazine
