Sir Alex Ferguson bricht sein Schweigen nach Carraghers Behauptungen über Nemanja Vidic
Manche Debatten im Fußball verlieren mit der Zeit an Bedeutung. Andere hingegen merkwürdigerweise werden lauter. Der Glaube, dass Fernando Torres Nemanja Vidić wiederholt deklassiert habe, gehört eindeutig zur zweiten Kategorie: ein Stück Fan-Folklore, das alle paar Monate wieder auftaucht oft losgelöst von den tatsächlichen Fakten.
Als Rio Ferdinand kürzlich erneut auf dieses Thema zu sprechen kam, holte er Sir Alex Ferguson in die Diskussion und warf damit ein neues Licht auf diese anhaltende Behauptung.
Wie die Debatte neu entfacht wurde
Eine Diskussion auf X im April 2023 rückte das Thema wieder ins Rampenlicht. Nachdem ein Nutzer in Frage stellte, ob Virgil van Dijk wirklich zu den großen Innenverteidigern der Premier-League-Geschichte John Terry, Vincent Kompany, Ferdinand und Vidić gehöre, meldete sich Jamie Carragher zu Wort.
Der Sky-Sports-Experte bestand darauf, dass van Dijks beste Jahre ihn über Vidić stellten, und verwies dabei auf das lange kursierende Narrativ rund um Torres:
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„VVD ist viel besser als Vidić… hast du seine Spiele gegen Torres vergessen?“
Carragher argumentierte weiter, dass selbst Elite-Verteidiger Formschwächen durchlaufen und dass kein Innenverteidiger der Premier-League-Ära den Einfluss von van Dijk auf seinem Höhepunkt erreicht habe.
Ein Anruf zur Klärung
Einige Wochen später, in einem Gespräch bei Rio Ferdinand Presents, blickten Ferdinand und Vidić auf ihre gemeinsame Zeit bei Manchester United zurück. Die Torres-Debatte kam unvermeidlich wieder auf, woraufhin Ferdinand halb belustigt während der Aufzeichnung Sir Alex Ferguson per Lautsprecher anrief.
Ferdinand erzählte Ferguson von Carraghers Behauptung, Torres habe Vidić „gequält“, und nannte dabei eine Statistik, die in Online-Diskussionen oft fehlt: Der Spanier erzielte in 15 Duellen nur drei Tore.
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Fergusons Antwort war bestimmt, aber differenziert. Er meinte, der Ruf stamme vor allem aus zwei besonders auffälligen Platzverweisen:
„[Vidić] brachte [Torres] zweimal zu Fall, als dieser alleine aufs Tor zulief aus dieser Perspektive wirkt es, als wäre er gequält worden.“
Dann ergänzte er Kontext: Eine der beiden roten Karten das Gerangel in Old Trafford sei hart gewesen:
„Die zweite Rote war etwas unfair. Er hatte mit ihm gerangelt in Old Trafford und wurde dann vom Platz gestellt.“
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Ferguson widersprach der Vorstellung, Torres habe den Verteidiger dominiert:
„Wie alle Mittelstürmer hatte [Torres] seine Qualitäten, aber ich würde nicht sagen, dass er der beste Stürmer war, gegen den Vidić gespielt hat. Ganz im Gegenteil.“
Er wies darauf hin, dass sich der Mythos wohl deshalb hält, weil Platzverweise stärker in Erinnerung bleiben als ganze Spiele:
„Es gibt diese Tendenz zu denken: Weil Vidić gegen ihn vom Platz flog, habe [Torres] ihn gequält. Aber weißt du ein einziges Foul kann eine Rote Karte bringen.“
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Jenseits des Mythos
Fergusons Einschätzung verweist auf eine größere Wahrheit: Einzelne besonders dramatische Momente überlagern oft das Gesamtbild. Torres bereitete United zwar gelegentlich Probleme, doch Ferguson betonte, dass Vidić viele Weltklassestürmer mit ebenso viel oder sogar größerer Mühe verteidigen musste.
Gefragt nach einer Zusammenfassung von Vidićs Eigenschaften aus Trainersicht, antwortete Ferguson mit drei Worten: „entschlossen, hart, engagiert“.
Vidićs Wechsel von Spartak Moskau im Jahr 2006 für rund 7 Millionen Pfund gilt noch heute als einer der cleversten Transfers in der Geschichte der Premier League. Sein kompromissloser Stil führte zu intensiven Zweikämpfen was erklärt, warum manche Erinnerungen bleiben, während die Zahlen eine ruhigere Geschichte erzählen.
Vidićs eigenes Urteil
In einem späteren Interview mit FourFourTwo nannte Vidić die Stürmer, die ihn seiner Meinung nach wirklich an seine Grenzen brachten. Peter Crouchs Körpergröße bereitete ihm dauerhaft Probleme in der Luft. Didier Drogba, sagte er, sei eine besondere Herausforderung gewesen:
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„Er war stark, aber immer einen Schritt voraus im Denken.“
Sergio Agüeros Beweglichkeit verschaffte ihm einen Platz auf der Liste, ebenso wie Luis Suárez. Torres hingegen fehlte eine bemerkenswerte Auslassung, angesichts des hartnäckigen Online-Mythos.
Statistisch ergibt Vidićs Sichtweise Sinn: In 15 Begegnungen gewann United siebenmal, Torres traf nur dreimal, und die prägendsten Szenen betrafen Disziplinarstrafen nicht dauerhafte Überlegenheit.
Doch im Fußball überholen Mythen oft die Realität auf dem Platz.
Quellen: Sky Sports; FourFourTwo; Rio Ferdinand Presents (YouTube).
