Fußball

Ronaldo und Piers Morgan: Eine Freundschaft, die auf Schmeichelei basiert

Als Piers Morgan im November 2025 mit Cristiano Ronaldo zusammensaß, wurde das Interview als schonungsloser Schlagabtausch angekündigt. Stattdessen entpuppte es sich als eine weitere glanzvolle Inszenierung gegenseitiger Bewunderung – ein Gespräch, in dem kritische Fragen der Selbstvermarktung untergeordnet wurden.

Das Gespräch, ausgestrahlt auf TalkTV und Ronaldos rekordträchtigem YouTube-Kanal, wirkte weniger wie Journalismus und mehr wie ein freundschaftliches Wiedersehen. Beide Männer fühlten sich sichtlich wohl in dem Echoraum, den sie sich aufgebaut haben – was Zuschauer sich fragen ließ, ob die Wahrheit überhaupt eingeladen war.

Eine Zweckfreundschaft

Morgans Zuneigung zu Ronaldo ist seit Jahren öffentlich bekannt. Der britische Moderator, bekannt für seine offene Art, hat sich vom Bewunderer zum Vertrauten entwickelt und nutzt regelmäßig seine Plattformen, um Ronaldos Leistungen zu feiern. Doch mittlerweile scheint ihre Verbindung eher durch Schmeichelei als durch Offenheit geprägt zu sein.

An einer Stelle lobte Morgan sogar Ronaldos Parfümlinie: „Ich kenne dein Aftershave, ich benutze es, es ist sehr erfolgreich. Ich trage es, und die Leute sagen: ‘Oh, du riechst wie Cristiano.’“ Ein bezeichnender Moment – begeistert, nachsichtig und in keiner Weise kritisch.

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Was als „aufschlussreiches Gespräch“ angekündigt wurde, verlief stattdessen in gewohnten Bahnen: Reichtum, Ruhm und körperliche Ausdauer. Für einen Spieler mit einer zwanzigjährigen Karriere wirkten Ronaldos Antworten überraschend defensiv – und teils realitätsfern.

Alte Wunden neu aufgerissen

Das vorherige Interview der beiden im Jahr 2022 führte bekanntermaßen zum Ende von Ronaldos zweiter Amtszeit bei Manchester United. Seine Kritik am damaligen Trainer Erik ten Hag, an jüngeren Mitspielern und der Glazer-Familie hatte die Vertragsauflösung zur Folge.

Drei Jahre später wirkt er noch immer frustriert. „Momentan haben sie keine Struktur“, sagte Ronaldo. „Das Potenzial ist unglaublich… aber wir müssen ehrlich sein und sagen, dass wir nicht auf dem richtigen Weg sind.“

Diese Einschätzung steht im Widerspruch zu den aktuellen Entwicklungen. Laut BBC Sport und Reuters haben Sir Jim Ratcliffe und INEOS seit der teilweisen Übernahme im Jahr 2024 umfassende Reformen eingeleitet. Die Pläne für ein neues Stadion – das „Wembley des Nordens“ – schreiten voran, und ein modernes Scouting-Modell soll bis 2028 zum Erfolg in der Premier League führen.

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Einige Entscheidungen Ratcliffes – etwa Personalabbau und Ticketpreiserhöhungen – stießen auf Kritik, doch Analysten stellen fest, dass sich United sowohl wirtschaftlich als auch sportlich stabilisiert. Und klar ist: Veränderungen bei einem Klub dieser Größe geschehen nicht über Nacht.

Amorim unter Druck – oder auf dem Weg zum Beweis

Ronaldo äußerte sich auch skeptisch über den aktuellen Cheftrainer von United, Rúben Amorim, der im November 2024 Ten Hag abgelöst hatte. „Er gibt sein Bestes“, sagte Ronaldo. „Was soll man tun? Wunder? Wunder sind unmöglich.“

Dabei spricht Amorims Bilanz für einen schrittweisen Fortschritt. Der ehemalige Trainer von Sporting CP hat Intensität, Disziplin und eine klare taktische Identität zurückgebracht. United ist seit fünf Ligaspielen ungeschlagen – vielleicht bescheiden, aber dennoch bedeutungsvoll.

Auf Ronaldos Aussagen angesprochen, sagte Amorim gegenüber Reportern: „Er weiß, dass alles, was er sagt, enormen Einfluss hat. Was wir tun müssen, ist, uns auf die Zukunft zu konzentrieren… Wir machen Fortschritte. Machen wir weiter und lassen wir die Vergangenheit etwas hinter uns.“

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Diese pragmatische Haltung beschreibt gut den neuen Tonfall in Old Trafford: Verantwortung zuerst, Nostalgie später.

Auf der Suche nach Relevanz in Riad

In Saudi-Arabien bleiben Ronaldos Torausbeute beeindruckend. Am Wochenende verwandelte er einen Elfmeter beim 3:1-Sieg von Al-Nassr gegen Neom – sein 953. Karrieretor und neunter Ligatreffer der Saison. Doch abgesehen von seiner treuen Fangemeinde nimmt in Europa kaum noch jemand Notiz davon.

Ronaldo besteht darauf, dass die Saudi Pro League mit den europäischen Top-Ligen mithalten kann. „Wenn ich jetzt in der Premier League bei einem Topteam spielen würde, würde ich genauso viele Tore schießen“, sagte er. „Die saudische Liga ist viel, viel besser als die portugiesische Liga, natürlich.“

Unabhängige Analysten widersprechen. Eine Umfrage des Guardian zu weltweiten Spieldaten stuft die Saudi League außerhalb der Top 15 ein – wegen schwacher Defensivorganisation und taktischer Ungleichgewichte. Selbst regionale Sportmedien geben zu, dass der Glanz durch Stars wie Karim Benzema, Sadio Mané oder Riyad Mahrez zwar zugenommen hat, das generelle Niveau aber weiterhin deutlich hinter Europas Top-Ligen zurückbleibt.

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Zahlen können beeindrucken – aber der Kontext ist entscheidend.

Träume im Wandel

Der vielleicht bemerkenswerteste Moment des Interviews kam, als Ronaldo ein Ziel herabsetzte, das ihn einst definierte: den Gewinn der Weltmeisterschaft. „Wenn du mich fragst, Cristiano, ist es ein Traum, die Weltmeisterschaft zu gewinnen? Nein, es ist kein Traum“, sagte er zu Morgan. „Soll das eine einzige Trophäe definieren, ob ich einer der Besten der Geschichte bin? Findest du das fair?“

Ein deutlicher Kontrast zu seinem emotionalen Post nach dem Viertelfinal-Aus gegen Marokko 2022, in dem er die Niederlage als „Ende meines größten Traums“ bezeichnete.

Mit 40 Jahren ist Ronaldo weiterhin Kapitän eines portugiesischen Teams voller Talente – von Rúben Dias und Rafael Leão bis hin zum aufstrebenden João Neves. Doch portugiesische Kommentatoren fragen sich, ob seine eingeschränkte Beweglichkeit dem Team bei der WM 2026 eher schaden als helfen könnte.

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Die GOAT-Debatte neu entfacht

Wie zu erwarten, konnte Morgan nicht widerstehen, die ewige Messi-gegen-Ronaldo-Debatte erneut aufzugreifen. Er erklärte Ronaldo zum „größten Spieler aller Zeiten“ und spielte ihm damit eine einfache Vorlage. „Natürlich“, antwortete Ronaldo, während er die Hände hob, als sei die Antwort offensichtlich.

Messi hingegen äußerte sich wenige Tage später bei einem Wirtschaftsforum in Florida mit ruhigerer Stimme: „Die Weltmeisterschaft zu gewinnen, ist der ultimative Erfolg. Es war, als würde ich meine ganze Karriere mit diesem Pokal abschließen.“

Mit acht Ballon d’Ors und rekordverdächtigen 40 großen Titeln ist Messis Vermächtnis längst gesichert – leise aufgebaut, ohne ständigen Drang nach öffentlicher Bestätigung.

Ein Vermächtnis auf der Suche nach Perspektive

Bei allem Talent könnte Ronaldos größter Gegner inzwischen psychologischer Natur sein. Er bleibt eine globale Ikone, doch jedes neue Interview mit Morgan wirkt weniger wie Journalismus – und mehr wie eine öffentliche Therapiesitzung.

Solange ihre Freundschaft weiter Gespräche hervorbringt, die mehr schmeicheln als aufdecken, bleibt eine Wahrheit bestehen: Ronaldos härtester Rivale ist vielleicht nicht mehr Lionel Messi – sondern das Spiegelbild seiner eigenen vergangenen Größe.

Quellen: TalkTV, BBC Sport, Reuters, The Guardian, AP, Sky Sports.

Oliver Obel

Ich bin ein leidenschaftlicher Sport-Content-Creator mit klarem Fokus auf Fußball. Für LenteDesportiva verfasse ich hochwertige Inhalte, die informieren, unterhalten und eine starke Verbindung zu Fußballfans auf der ganzen Welt schaffen. Meine Arbeit dreht sich um Spieler-Rankings, Transferanalysen und tiefgehende Reportagen, die den modernen Fußball beleuchten. Ich verbinde ein ausgeprägtes redaktionelles Gespür mit einem tiefen Verständnis für die Entwicklung des Spiels – immer mit dem Anspruch, Inhalte zu liefern, die sowohl Einsicht als auch Emotion vermitteln.